Hamburg ist sozial tief gespalten: Doch Olaf Scholz tut nichts.

»Widdewiddewit und drei macht Neune. Ich mach mir die Welt, so wie sie mir gefällt.«

Die Interviews, die Olaf Scholz im letzten Sommer gab, legen nahe, dass sich der Erste Bürgermeister unserer Stadt morgens zur Einstimmung auf den Tag zunächst den weltberühmten Pippi-Langstrumpf-Song singt, bevor er dann ins Rathaus eilt.

Denn dass Hamburg eine sozial tief gespaltene Stadt ist, hat sich offenbar noch nicht zu ihrem Bürgermeister herumgesprochen. Er malt sich die Stadt und das Leben in ihr schön, schöner als es viele täglich erleben.

Dass auf der Veddel die meisten Familien von rund 14.000 Euro im Jahr leben, in Nienstedten aber das zehnfache zur Bewältigung der Kosten im gleichen Zeitraum zur Verfügung stehen – dass Leben in Hamburg ganz unterschiedlich und für viele Hamburgerinnen und Hamburger auch beschwerlich ist- das ist dem Bürgermeister dieser Stadt keinen Gedanken wert.

Wäre aber gut. Müsste man ihn als erstes fragen.

Aber Scholz wird angesichts der jüngsten Ereignisse zunächst nach dem Verständnis des Bürgermeisters für Angst vor Terror und Gewalt in Hamburg gefragt.

( Mir wurde auf die selbe Frage, die ich – allerdings schon im Winter 2015 – Vertretern muslimischer Gemeinden in Hamburg- Billstedt stellte, geantwortet, dass die ständige Kürzung der Mittel in der stadtteilbezogenen Sozialarbeit gerade in sozialen Brennpunkten Hamburgs eine der vielen Ursachen für die sicht- und spürbare weitere Radikalisierung vor allem junger Männer sei.)

Olaf Scholz sieht da jedoch keinen Zusammenhang. Denn anstatt auf Prävention in den sozialen Brennpunkten setzt er auf den Datenabgleich in Deutschland und Europa. Noch mehr Überwachungsstaat also- statt weniger soziale Spaltung: So also wird auch 2016 „Hamburg weiter vorn“ sein – wir erinnern uns an den SPD-Slogan zur Bürgerschaftswahl 2015 – jedenfalls in den Augen des SPD – Landesvorsitzenden und Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz.

Für die Rettung der HSH-Nordbank, für die Elbphilharmonie, die Hafencity und das wegen der klugen Entscheidung der Hamburgerinnen und Hamburger gescheiterte größenwahnsinnige Olympiaprojekt des Bürgermeisters Scholz konnte immer genug Geld locker gemacht werden. An den vielen notleidenden sozialen Projekten in Hamburg geht die aktuelle gute wirtschaftliche Lage Hamburgs jedoch vorbei.Keinen Penny mehr, nirgends. Die jährlichen Steuerüberschüsse, zuletzt über 400 Millionen Euro, werden stumpf in die Sanierung des Hamburger Haushalts gesteckt, anstatt sie diesen sozialen Projekten zur Verfügung zu stellen – wohlgemerkt, nachdem die notwendigen und vorgesehenen Zahlungen zum Abbau der Verschuldung Hamburgs geleistet worden sind.

Jugend- und Bildungseinrichtungen, Beratungsstellen, gesundheitliche und psychische Versorgung, Sport und Kultur in den Stadtteilen müssen vernünftig und nachhaltig unterstützt werden – und auch das müsste dem Ersten Bürgermeister Hamburgs auf die Frage nach der Sicherheit in der Stadt und der Angst vor Terror einfallen.Wie gesagt, das Geld für die ersten Schritte ist da. Politik in Hamburg muß wieder für alle gemacht werden: DIE LINKE. Hamburg schlägt darum eine soziale Offensive vor, die mit dazu beitragen wird, die soziale Spaltung zu überwinden.

Zur Finanzierung dieser Offensive müssen alle herangezogen werden. Der Landesrechnungshof stellt fest, dass von den elf Milliardärinnen und Milliardären, die Hamburg beherbergt, keine und keiner mit übermäßig vielen Steuerprüfungen gequält wird – übrigens im Unterschied zu kleinen und mittelständischen Unternehmen, die viel, viel häufiger mit diesen Prüfungen konfrontiert sind.

Der Landesrechnungshof also schreibt in seinem Jahresbericht 2016 über die Hamburger Verhältnisse: Es ist nicht gewährleistet, dass alle Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften als potenzielle Prüfungsfälle…erfasst sind…Die Außenprüfung der Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften ist seit geraumer Zeit Gegenstand der politischen Diskussion. Immer wieder wird deren geringe Zahl problematisiert. Tatsächlich wurden 2014 nur 33 Außenprüfungen dieser Fallgruppe zugeordnet. Der statistische Prüfungsturnusbetrug danach mehr als 20 Jahre…“

Aber da Olaf Scholz die soziale Spaltung seiner Stadt geflissentlich übersieht, muss er natürlich auch zur Finanzierung der Überwindung dieses politischen Skandals nicht Stellung beziehen.

2014 waren in der von Olaf Scholz und seiner SPD/GRÜN regierten Stadt 280.000 Menschen von Armut betroffen. Sie verfügten über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens.

Arm sein heißt in Hamburg,  als Single mit weniger als 964 Euro im Monat auskommen zu müssen. Ein Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren gilt als arm, wenn nicht mehr als 2025 Euro monatlich zur Verfügung stehen.

Armut betrifft jedes fünfte Kind – Armut ist in erster Linie ein Problem von Haushalten mit Kindern: Jedes fünfte Kind wird in armen Verhältnissen groß. Und je mehr Kinder eine Familie hat, desto armutsgefährdeter ist sie. Kommt Arbeitslosigkeit, ein Migrationshintergrund oder  das Merkmal „Alleinerziehend“ hinzu – dann ist die Armut in Hamburg vorprogrammiert, dann bist du in Hamburg tief unten. Und alleinerziehend, das sind in Hamburg zumeist Frauen, häufig mit Migrationshintergrund.

Doch auch auf der anderen Seite des Lebens ist die Wirklichkeit in Hamburg zumeist so, wie Olaf Scholz sie nicht wahrnehmen will, wenn das „Sommerinterview“ mit Schirg, Steinlein und Meyer der Massstab ist.

„Widdewiddewitt und Drei macht Neune- ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“: Der aktuelle Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands müßte auch dem Bürgermeister bekannt sein- und er ist so eindeutig, dass er danach auch in einem lässigen Sommerinterview des Hamburger Leitmediums danach befragt gehört:

Hamburg ist die Hauptstadt der Altersarmut. Nirgendwo in Deutschland sind mehr alte Menschen auf Sozialleistungen angewiesen als an der Elbe- sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband. Keine Frage des „Abendblatts“ danach- weil Schulterzucken beim Bürgermeister vermutlich vorprogrammiert? Schulterzucken, weil Rentenpolitik eben Bundespolitik ist- und ein Bürgermeister trotz aller anderslautender Ambitionen nur Lokalpolitik macht?

Stimmt, solange Menschen in schlecht bezahlte Beschäftigungen abrutschen, befristete Arbeitsverträge verbreitet sind, Leiharbeit zum Standard wird und für alles kaum bezahlte Praktikantinnen und Praktikanten geködert werden, sind die Aussichten auf eine gute Rente für ein Leben ohne Sorgen im Alter trübe.

(Übrigens, auch danach könnte man Herrn Scholz mal fragen: Er hat als Arbeits- und Sozialminister unter Kanzler Schröder die Dinge, also auch die jeweiligen Rentenreformen, so geformt, dass sie nun den alten Menschen in der von ihm regierten Stadt auf die Füße fallen…)

Also trotzdem falsch, dieses „Gehtmichjanixan“ des schulterzuckenden Herrn Scholz- und liebe Journalistinnen und Journalisten, bitte für den nächsten Sommer vormerken: Natürlich ist die Durchsetzung einer sozial gerechten Mindestrente, so wie DIE LINKE sie vorschlägt, Bundespolitik. Ein Beitrag Hamburgs wäre allerdings, die Bedingungen des Lebens der alten Menschen so zu gestalten, dass sie durch kostenlose Betreuung, günstigste Verpflegung und viele Altentagesstätten erträglich und gut werden. Das ist Sache Hamburgs- und kann auch von Hamburg betahlt werden, denn das Geld dafür ist in dieser reichen Stadt vorhanden. Und außerdem könnte Hamburg mit seinen Mehrheiten in der Bürgerschaft einen Hamburger Mindestlohn von 13 Euro beschließen, der hilft, vor Altersarmut zu schützen.

Das Fahrverbot für Dieselfahrzeuge sei unsozial, befindet der Bürgermeister auf die Frage nach der schlechten, die Atemwege verkleisternden Luft in Hamburg. Er setzt auf den frischen Wind, den viele an dieser Stadt so mögen- und mag wieder nicht zu seiner Verantwortung stehen. Denn natürlich ist die giftige, von der EU kritisierte Schadstoffbelastung der Hamburger Luft, auch ein Problem des Individualverkehrs. Regelungsbedarf, klar. Aber: Gemeinsam (!) mit den GRÜNEN ist das Kohlekraftwerk Moorburg ans Netz gegangen und pustet gemeinsam mit Wedel Schadstoffe in die Hamburger Luft. Raus aus der Kohle- und aus dem Atom: Das müßte die Devise des Hamburger Bürgermeisters sein.

Doch zurück zur sozialen Spaltung. In einem Beitrag in der Zeitschrift „Berliner Republik“ behauptet Olaf Scholz, schon ganz auf Kanzlerkandidaten-Kurs, dass seine Politik – und die der SPD – darauf ausgerichtet sei, die hart arbeitende Bevölkerung zu fördern und zu unterstützen. Er kommt einfach nicht darauf, dass die flottierenden Abstiegsängste in den unteren Mittelschichten durch seine, durch eine Politik der Vertiefung der sozialen Spaltung verursacht werden. Er kommt nicht drauf, dass diese Abstiegsängste, bei vielen konkret verbunden mit bisher nie gekannten realen Abstiegserlebnissenen im unmittelbaren Verwandten- und Bekanntenkreis zu Ergebnissen für die AfD führt, die Demokratie und Rechtsstaat gefährden. „Wir sind das Volk“ wird so genutzt zu einer Drohung gegen Geflohene, aber auch gegen alle anderen im Lande, die das Grundgesetz leben und schützen wollen.

Jeder vierte Gewerkschafterin, jeder vierte Gewerkschafter wählt AfD. Olaf Scholz hält das für „schlechte Laune“. Er kommt nicht drauf, dass er selbst durch seine Politik diese schlechte Laune verursacht.

Der Landesvorstand unserer Partei hat nach einer fruchtbaren Diskussion auf dem Landesparteitag im Juni beschlossen, die Wohnungspolitik in Hamburg zum Kettenglied gegen die Politik der sozialen Spaltung zu machen. In Hamburg wird wieder mehr gebaut – gut so. Doch leider,leider entstehen zumeist die falschen Wohnungen. Jeder zweite Hamburger Haushalt hat Anspruch auf eine Sozialwohnung, doch nur etwa 30 Prozent der 10.000 jetzt geplanten Wohnungen werden preisgünstige Sozialwohnungen sein. Die anderen 70 Prozent kommen direkt auf den freien Markt- und sind als Neubauten von der Mietpreisbremse ausgenommen. Sie treiben also die Mieten weiter nach oben- anstatt entlastend zu wirken. DIE LINKE.Hamburg fordert – und wird dafür aktiv werden: Bei den bestehenden Sozialwohnungen muß die Sozialbindung erhalten bleiben! Beginnen wir mit den Wohnungen der SAGA/GWG: Hier kann die Bürgerschaft mit ihrer Mehrheit den Erhalt der Sozialbindung in den Wohnungen und Siedlungen dieser städtischen Gesellschaft einfach beschließen. Entwickeln wir die städtische Wohnungsbaugesellschaften weiter zu einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die Mieterinnen- und Mieter freundlich ist.

Dafür wird DIE LINKE.Hamburg in de nächsten Wochen und Monaten ein kräftiges Zeichen setzen. Auch damit werden wir die soziale Spaltung Hamburgs Schritt für Schritt überwinden: mal sehen, was Olaf Scholz nächsten Sommer dazu sagt.