Soziale Spaltung überwinden

DIE LINKE in Hamburg und ihre zentrale Kompetenz — Erschienen in DISPUT, Mai 2016

»Hamburg weiter vorn.« Das versprachen Olaf Scholz und die SPD 2015 im Bürgerschaftswahlkampf. 45,6 Prozent gab es für dieses Versprechen.

Auch DIE LINKE punktete. 60.000 Wählerinnen und Wähler wählten links. Mit 8,5 Prozent erzielte unsere Partei ihr bisher bestes Ergebnis. Drei LINKE-Abgeordnete mehr zogen in die Bürgerschaft ein.

Die Wahlbeteiligung war gering, mit nur 56 Prozent erreichte sie einen historischen Tiefstand. Diejenigen, die Hamburg Tag für Tag von unten erleben, wählten nicht.

Hamburg unten: Diese Lage erfasst immer mehr Frauen – vor allem allein Erziehende –, Männer und Kinder. Arm sein heißt hier, als Single mit weniger als 964 Euro im Monat auszukommen. Ein 4-Personen-Haushalt ist arm, wenn ihm nicht mehr als 2.025 Euro monatlich zur Verfügung stehen.

Soziale Spaltung – im Wahlkampf unser Kernthema. »Bezahlbarer Wohnraum für alle!« DIE LINKE forderte günstige Fahrpreise und setzte Zeichen gegen Altersarmut. Wählerinnen und Wähler haben gute Erfahrungen mit uns gemacht. Sie ordnen uns hohe sozialpolitische Kompetenz zu.

Nach der Wahl – Fehlstart: Einzelne Abgeordnete wollten eine Empfehlung des Landesvorstandes nach einer Doppelspitze der Fraktion nicht umsetzen. Die politischen Folgen waren nicht erquicklich.

Olaf Scholz handelte mittlerweile mit den Grünen den Koalitionsvertrag aus. In ihm findet sich keine Maßnahme zur Überwindung der sozialen Kluft. Von den Segnungen möglicher Olympischer Spiele wurde jedoch viel erzählt. Es ist das einzige Projekt in diesem Koalitionsvertrag, das verbindet, strahlt – und das in einer Volksabstimmung scheiterte.

NOlympia Hamburg sammelte Gruppierungen und Einzelpersonen aus Stadtteilen Hamburgs mit außerparlamentarischer Erfahrung. Mit 51,6 Prozent votierten die Hamburgerinnen und Hamburger gegen die Bewerbung – eine deutliche Mehrheit. Dieser Dreh hat viele Gründe. Angst vor den unsozialen Folgen der Spiele in Hamburg ist dabei ein entscheidender Aspekt. Olaf Scholz ist gescheitert, Olympia in Hamburg wird es nicht geben.

Sommer 2015: Auch in Hamburg nimmt die Zahl der vor Krieg, Hunger und Not Schutz suchenden Menschen zu. 60.000 Menschen kommen 2015 als Flüchtlinge in die Stadt, 20.000 werden bleiben. Das ist vor dem Hintergrund der sozialen Spaltung, die sich auch in fehlendem preiswertem Wohnraum ausdrückt, eine große Herausforderung. Nun wird der seit den achtziger Jahren währende Abbau staatlicher Strukturen sichtbar. Die Integration war und ist auch in Hamburg nur mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu bewältigen. Viele LINKE sind dabei.

DIE LINKE in Hamburg diskutierte bereits im Spätsommer 2015 ihre »Flüchtlingspolitischen Leitlinien«. Sie wurden auf unserem Parteitag im November 2015 verabschiedet. Wir setzten uns also früh mit den Ursachen für Flucht und Migration auseinander, bekräftigten die Ablehnung weiterer Verschärfungen des Asylrechts und forderten praktische Maßnahmen im Wohnungsbau, in der Gesundheitspolitik, der Bildungspolitik. In der Bürgerschaft machten wir konkrete Vorschläge. Konzeptionslosigkeit wurde kritisiert, Herausforderungen wurden betont. Unsere Fraktion wies schon in der vergangenen Legislatur auf die möglichen Entwicklungen hin. Die finanziellen Mittel zur Bewältigung der Aufgaben sind vorhanden. Ein Blick auf die Haushaltsüberschüsse genügt.

LINKE Flüchtlingspolitik hat immer die Bedürfnisse auch der bisher von der sozialen Spaltung Betroffenen im Blick. Die Kernforderung lautet: Wohnungen für alle!

Hamburg war das erste Landesparlament, das die AfD sah. Im Februar 2015 erzielten die Rechtspopulisten 6,1 Prozent, acht Abgeordnete. Die soziale Spaltung der Stadt erzeugt bei den Menschen nie gekannte Bilder von Abstieg und Armut in der Nachbarschaft. Da setzt man (tatsächlich, es sind in Hamburg meistens ältere, weiße Männer, die AfD wählen) sich zur Wehr und wählt diejenigen, die lautstark Schutz versprechen und dabei Ängste und Vorurteile mobilisieren.

Das wird nicht allein durch Landespolitik überwunden. Prekäre Beschäftigung, die Hartz-IV-Gesetzgebung, das ganze Paket der Agenda-2010-Grausamkeiten, die Bekämpfung der Altersarmut – das ist Bundespolitik.

Aber Hamburg kann und muss regeln, dass die Prüfung der Besteuerung der Reichen in der Stadt im bundesweiten Vergleich nicht weiter als »gering« zu beanstanden ist. Zum Beispiel.

»Hamburg weiter vorn« – bei der Steuervermeidung der 11 Milliardärinnen und Milliardäre, die in Hamburg leben? Die Bekämpfung der sozialen Spaltung Hamburgs erfordert ein Paket an Sofortmaßnahmen. Dazu gehören mehr Steuerprüfungen bei denen, die auf der Sonnenseite leben.

Und sie erfordert eine Konzentration auf die bekannten Defizite: zu teurer innerstädtischer Verkehr, unzureichende Verpflegung in den Schulen, keine Hilfsangebote für die armen Alten und vor allem zu geringe Anstrengungen in Sachen Wohnungspolitik. In Hamburg gibt es einen massiven Mangel an Sozialwohnungen. 367.000 Menschen hatten im Jahr 2012 Anspruch auf eine Sozialwohnung – allerdings standen nur 96.854 Sozialwohnungen bereit. Es wird Zeit für die Aktion, da ist die Partei gefragt. Klar ist: So kann es mit dem investorenfreundlichen Wohnungsbau in Hamburg nicht weitergehen.

Es geht um langfristige Weichenstellungen wie um Sofortmaßnahmen. Daher die Forderungen nach Erhöhung des Wohngeldes und der Verlängerung der Sozialbindung der Mieten.

Aktuelle Prognosen sehen DIE LINKE in Hamburg bei 11 Prozent. Wir gewinnen als einzige Partei neue Mitglieder, nicht genug, aber immerhin. Nach dem Wahlerfolg im Februar 2015, dem darauf folgenden Fehlstart und den damit verbundenen Nöten haben wir diese Erfolge für DIE LINKE gemeinsam hart erarbeitet: jedes Mitglied, die ganze Partei und alle Fraktionen.