Meine Bewerbung für den Parteivorstand DIE LINKE.

Liebe Genossinnen und Genossen, 

heute bewerbe ich mich für den Parteivorstand unserer Partei DIE LINKE.  

1.

Ja, ich bin stark beunruhigt. Ich mache mir Sorgen um die Demokratie in unserem Land.

Und darum werde ich im Parteivorstand alles dafür tun, dass eine an Mitgliedern und Einfluß starke, demokratische, linke Partei in Zukunft noch besser in der Lage ist, sich für die Verteidigung von Demokratie und Grundgesetz einzusetzen. Dazu muß unsere Partei wirkungsvoll gegen die soziale Spaltung kämpfen. Auf jeder politischen Ebene: In den Parlamenten in der Opposition, in der Regierung, auf der Strasse, in den Gewerkschaften und Vereinen. Die soziale Entsicherung der Lebensverhältnisse ist ein Grund für gewachsene Ressentiments, für wutgetränkte Apathie, für Vorurteile und tiefsitzendem Groll auch in den Mittelschichten unseres Landes und weltweit. Die soziale Entsicherung ist ein Grund für den Erfolg der Rechtspopulisten. Sie schüren Hass und Wut. Jetzt, wo die neoliberalen Konzepte offensichtlich am Ende sind, braucht es sichtbare, deutliche Alternativen. Wir haben sie. Diese Botschaft muss ganz praktisch und im täglichen Leben erfahrbar bei den Menschen ankommen.Das Leben der Menschen muß wieder sicherer und planbarer werden.Mit dieser Hoffnung müssen die Menschen DIE LINKE verbinden.Gewonnenes Vertrauen in uns muß ausgebaut und politische Spielräume dafür genutzt werden. Dafür trete ich ein.

2.

Dazu braucht es eine Partei, die sich streitet, die diskutiert, die ihre demokratischen Regeln ernst nimmt und die Demokratie vorlebt. Dazu braucht es eine Partei, die eingreift: In den Parlamenten, bei der Verteidigung der repräsentativen und direkten Demokratie und auf der Straße, in der außerparlamentarischen Aktion. Dazu werde ich auch als Mitglied des Parteivorstands ganz praktisch beitragen. Das Gespräch mit den Menschen muss gesucht und organisiert werden. Es vermittelt Nähe. Durch die Nähe werden Neugierde, Vertrauen und Hoffnung geweckt. So gewinnen wir, so gewinnt DIE LINKE Herz und Verstand der Menschen gegen rechts. Noch einmal: Es ist die soziale Spaltung, die über nationale Grenzen in ganz Europa soziale und kulturelle Verwüstungen anrichtet, es ist die soziale Spaltung, die mit einem europäischen Investitionsprogramm bekämpft werden könnte. In einem geeinten Europa, dass uns auf unserem Kontinent vor Kriegen untereinander in den letzten 50 Jahren bewahrte. 

3.

Manchmal denke ich: So, genauso wie jetzt, liebe Genossinnen und Genossen, muss es sich Anfang der 30iger Jahre in Deutschland angefühlt haben. Und das ich das jemals denken muß, ahnte ich als junger Mensch nicht. Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg. Diese Lehre aus der deutschen Geschichte schien mir unumkehrbar zu sein, trotz allem.

Ich entschied mich am 11. April 1968 vor dem Springerhaus in Hamburg für ein linkes Leben. Ich war 16 und nach dem Osterfest 1968 wußte ich, wie ich zukünftig leben wollte und was mein Leben ausmachen sollte. Ich bin seit 1970 politisch organisiert, war in der DKP und SDAJ, in der PDS und habe in Kreis- und Landesvorständen unserer Partei gearbeitet. Ende der 80iger Jahre arbeitete ich im Wahlbüro der PDS in Berlin – und habe so schon damals Wahlkämpfe in West- und Ostdeutschlandt mitgestaltet. Ich habe also viel erlebt in der Politik und will in ihr nichts mehr werden. Ich möchte, dass DIE LINKE wächst, blüht und gedeiht. 

4. 

Ich konnte damals nicht ahnen, vor welche Herausforderungen wir, die demokratische Linke, im 21. Jahrhundert gestellt werden.Die Herausforderungen verlangen, dass unsere Partei weiter diskutiert und zu erfassen versucht, was die Wirklichkeit, die uns umgibt, ausmacht. Die Herausforderungen verlangen, dass wir sie, diese Wirklichkeit,  wirklich verändern. Wir dürfen uns dabei nicht mit den alten Antworten zufrieden geben – und das gilt gerade für uns, für die Alten. Wir dürfen uns nicht auf den uns vertrauten Begriffen aus unserer aufregenden Jugendzeit ausruhen: Klar,haut dem Springer auf die Finger. Immer noch. Aber im Netz müssen so viele Finger getroffen werden, dass wir uns auch darüber zu verständigen haben, wer, wie, wo und  wann den Trollen und den Bots den Marsch bläst. 

5.

Wir haben auch im Parteivorstand darüber zu reden, welche Formen unserer Arbeit die notwendige Nähe zu den Menschen schafft. Aus dieser Nähe wird Vertrauen, aus dem Vertrauen wächst die Hoffnung, das wir gemeinsam die Lebensverhältnisse zum Besseren wenden können. Ich weiss aus Erfahrung, zuletzt gewonnen und bestätigt im Kommunalwahlkampf in Thüringen: Es ist das Gespräch mit den Menschen. Zuhören und reden. „Fragend schreiten wir voran“ sagten wir einmal. Meine Überzeugung ist: So, im Gespräch mit den Menschen, wird sich die Partei DIE LINKE weiter stabilisieren und qualifizieren. Die desaströse Niederlage des real existierenden Sozialismus vor rund dreissig Jahren hat uns viele Lehren erteilt. Die wichtigste lautet, so finde ich: Gesellschaftlicher Fortschritt, eine emanzipatorische Gesellschaft war und ist ohne verfasste und praktizierte Demokratie nie und nimmer möglich. Das kann und muß in der Partei vorgelebt werden. Und dazu möchte ich im Parteivorstand meinen Beitrag leisten. 

6.

Ja, wir erzielten zu den Bundestagswahlen im September 17 das zweitbeste Wahlergebnis unserer Geschichte. Das verdanken wir vor allem Zugewinnen im Westen. In Hamburg 12 Prozent! Für DIE LINKE! Zwei Mandate! Als Landessprecher freute ich mich damals wie Bolle und wußte: Das haben wir auch unserer Arbeit im Bündnis „NOlympia Hamburg“ zu verdanken. Wir wiesen nach, dass die Spiele in Hamburg, privatwirtschaftlich organisiert wie politisch geplant – die soziale Spaltung der Stadt vertiefen wird. Das haben die Menschen verstanden und wählten die Spiele ab – und ein Jahr später wählten sie uns. Denn inzwischen erfuhren sie auch durch unsere Arbeit, dass es richtig gewesen wäre, den G20 – Gipfel nicht Hamburg, inmitten einer Millionenstadt, stattfinden zu lassen. Auch an dieser Erkenntnis waren wir neben anderen beteiligt. Auch dafür sind wir gewählt worden: Von der Arbeiter*innenklasse der Stadt, von den jungen urbanen Mittelschichten, von Rentnerinnen und Rentnern – quer durch die Bevölkerung erhielten wir Zustimmung. Und das soll,das muss so bleiben, wenn wir erfolgreich gegen rechts sein wollen.

7.

Ob wir mit dem Ergebnis der Bundestagswahl  aber wirklich schon den Status einer stabilen bundesweiten Partei erreicht haben, bleibt abzuwarten. Bei der Niedersachsen-Wahl sind wir an der Fünf- Prozent-Hürde gescheitert, vorher im Superwahljahr ist uns das in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen passiert. DIE LINKE. ist also weiterhin in sechs westlichen Bundesländern parlamentarisch nicht vertreten. Das muß, das wird sich ändern. Auch dafür werde ich im Parteivorstand arbeiten.

8.

Im Osten hat DIE LINKE. deutliche Einbußen erlitten und liegt in allen neuen Bundesländern unter 20 Prozent. Die Ursache für diesen Verlust ist klar: Gregor Gysi sagte, dass uns dort immer  auch Menschen gewählt haben, die uns wegen unserer Sozialpolitik unterstützten – aber unsere Flüchtlingspolitik nie verstanden. Diese Leute haben jetzt eine Alternative gefunden – und sie nutzen sie auch. Ja, manche unserer ehemaligen Wählerinnen und Wähler in Ost- wie in Westdeutschland wählen die AfD. Und nein: Manche von ihnen sind nicht mehr zurückzuholen – auch wenn es einmal enge Verbindungen zu ihnen gab. Das ist meine tägliche Erfahrung in Erfurt, Eisenach, in Zeulenroda oder Bad Salzungen. Übereinstimmend stellen die Wahlanalysen fest, dass sich immer mehr Menschen in den unteren sozialen Milieus wiederfinden – da ist es kein Wunder, dass demokratische Angebote mehr und mehr ignoriert werden. Wie gesagt: Deutschland driftet auseinander. Es fühlen sich mehr und mehr Menschen abgehängt. In den Städten drängen hohe Mieten die Ärmeren an den Rand. Da ist es ermutigend, dass wir in den großen Städten, wo wir das zum Thema machen, erfolgreich sind. Die Aufgabe ist aber auch, in den abgehängten ländlichen Gebieten nach Möglichkeiten zu suchen, den ländlichen Raum wieder attraktiv zu machen. Das muss mit  uns, mit unserer Partei verbundnden werden. Viele, selbst die Mittelschichten, plagen Abstiegsängste. Und das ist im Osten Deutschlands deutlich häufiger, denn schliesslich sind hier die Erfahrungen von schwersten Umbrüchen, der Ungerechtigkeit und dem damit verbundenen persönlichen Scheitern stets und ständig sichtbar und häufig nicht verarbeitet. 

9.

Björn Höcke, der Kopf des Rechtsradikalismusses in der AfD, lieferte ein treffende Beispiel für die demokratiegefähdende politische Instrumentalisierung des skizzierten verbreiteten Unbehagens. Er sagte: „Die Soziale Frage der Gegenwart ist nicht primär die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten, unten nach oben, jung nach alt oder alt nach jung. Die neue deutsche Soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen.“ Das ist eine Kampfansage an alle demokratischen Lösungsvorschläge, die zum Beispiel eine Vermögenssteuer fordert oder sich für eine soziale Investitionspolitk stark macht, anstatt für die schwarze Null. Da ist es gut, dass ich aus Thüringen berichten kann, dass uns dort die Altersgruppe der 16- bis 25jährigen zu fast 40 Prozent wählen wird. Wir dürfen nur nicht das Vertrauen unser jungen Wählerinnen und Wähler darauf, das wir die Hoffnung auf eine bessere Welt verkörpern, nicht durch Anleihen bei den Rechtspopulisten zerstören. Ein Blick auf die Wahlergebnisse unserer Schwesterparteien in ganz Europa zeigt: Das, genau das,  lohnt sich nie: Zuletzt bewiesen in Amsterdam, wo die SP im dortigen Stadtrat so ihre Sitzanzahl halbierte.

10.

Die in jedem Milieu verbreitete Alltagsvorstellung, dass es hierzulande gerechter zugehen könnte, kann zukünftig Wahlen entscheiden. Dazu muss diese Vision aufgegriffen und mit konkreten Zielsetzungen verknüpft werden, die politisch hier und heute, morgen und übermorgen, aber immer in diesem Leben verwirklicht werden können. Soziale Ansprüche und breite politische Bündnisse können zu einer Alternative werden. Sie ermöglicht einen Politikwechsel. Mitte-Links: Diese Perspektive kann den Menschen Hoffnung geben, wenn sie denn konkret formuliert und sozial gerecht durchbustabiert wird. Und das Vertrauen  der Menschen darauf in uns, in unsere Partei DIE LINKE – tja, dieses Vertrauen müssen wir uns Tag für Tag erarbeiten und dürfen wir nicht zerstören. Einfacher ist es leider nicht zu haben. Dafür möchte ich auch im Parteivorstand meiner Partei arbeiten. Als Linker im 21. Jahrhundert, der politisch im Osten wie im Westen unseres Landes zuhause und dessen Heimat Europa ist.
 


Hier die Kurzbewerbung für den Parteivorstand DIE LINKE., die so auch im Bewerbungsheft auf dem Parteitag zu finden ist:

1.

Manchmal denke ich: So, wie jetzt im Jahr 2018 muss es sich in den frühen 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts angefühlt haben. „Man wird doch noch mal sagen dürfen…“ Nein,wenn es gegen Grundgesetz und Demokratie geht.

2.

Zur Verteidigung unserer Verfassung, die auch Ausdruck der Befreiung vom Faschismus ist, braucht es eine starke DIE LINKE. Eine Partei, die sich der Wirklichkeit stellt, solidarisch streitet und  handelt: Stark und schlau in Opposition und Regierung, parlamentarisch, außerparlamentarisch. Eine Partei, die Vertrauen in linke Lösungen schafft, Hoffnungen auf bessere Zukunft weckt: 

3.

DIE LINKE kümmert sich. Sie verändert. Sie hilft beim Widerstand gegen Betriebsstilllegungen in Weimar und Erfurt. Sie ist in Hamburg dabei, wenn es gegen die Schließung der Roten Flora geht. Sie macht im Wohngebiet Sozialberatung. Sie setzt sich für bezahlbare Mieten ein. Sie wirkt gegen jede Diskriminierung –  für Vielfalt, gegen Einfalt. 

4.

Soziale Spaltung bekämpfen: Unser Markenkern. Sie gefährdet Demokratie. Immer mehr Menschen fürchten um die Zukunft, haben Angst. So wachsen Groll und wutgetränkte Apathie.Vorurteile werden von den Rechten gelockt und bedient.

„Die soziale Frage der Zukunft ist nicht oben gegen unten, sondern innen gegen außen.“ Sagt AfD-Höcke. Gut für die Reichen, das macht Vermögenssteuer überflüssig. Schlecht für die Armen, die auf der Flucht vor deutschen Waffen zu uns gekommen sind. So werden Grenzen geschlossen, so wird Europa weiter gefährdet, Arme gegen noch Ärmere ausgespielt: Wir dürfen uns nie darauf einlassen.Solidarität:Das ist DIE LINKE.

5.

Ich heiße Rainer Benecke, 66 Jahre alt, seit 1968 links. Ich war in der DKP, SDAJ, PDS. Ich habe für unsere Partei im Westen wie im Osten gearbeitet. Ich habe gelernt:Sozialismus ohne Demokratie scheitert. Gewissheiten mußte ich überdenken. Dabei hilft das Gespräch mit den Menschen. Vertrauen schaffen, Hoffnung wecken. Gegen die Angst: DIE LINKE stärken. Dafür möchte ich im Parteivorstand arbeiten.